Kai Meyer, Die Winterprinzessin – Ein unheimlicher Roman um die Brüder Grimm
Der allseits bekannte Goethe empfiehlt dem badischen Herzog zur Erziehung des jüngsten, gerade eben geborenen Sprösslings des Hauses niemand anderen, als Jakob Grimm. Dieser hat gerade erst zusammen mit seinem Bruder Wilhelm den ersten Band der von ihnen gesammelten Hausmärchen herausgegeben und erhofft sich von der Anstellung ein Einkommen, dass ihn von seinem Bruder finanziell unabhängig macht. Doch es dauert nicht lange, bis die beiden in merkwürdige Ereignisse verstrickt werden, die sich bereits während ihrer Reise zum Großherzog einholen.
Eine exotische Prinzessin, ein Fakir, eine gefährliche Gruppe indischer Priester und Verschwörungen über Verschwörungen geben sich die Klinke in die Hand…
Bewertung
Wie von Kai Meyer gewohnt ist das historische Setting sehr liebevoll entwickelt und detailliert ausgearbeitet. Die Charakterbeschreibungen sind als erstklassig zu bezeichnen und auch der Plot an sich ist sehr lesenswert. Noch auf den letzten Seiten nimmt der Roman eine überraschende Wendung nach der anderen, der Leser wird zusammen mit den Gebrüdern Grimm mal hierhin und mal dorthin an der Nase herum geführt und muss seinen Irrtum immer dann einsehen, wenn er gerade (endlich) die Geschichte durchschaut zu haben glaubte. Insgesamt ist „Die Winterprinzessin“ in einer sehr düsteren, kalten und auf eine eher subtile Art und Weise brutale Atmosphäre gehalten, wirkt dabei jedoch nicht stumpf oder geschmacklos. Einziger Kritikpunkt stellt die langsame bzw. verzerrte Entwicklung der Handlung dar, wie sie für den Autoren typisch ist: Die Ereignisse überschlagen sich zunehmend und wirken teilweise sehr „gestopft“, als sei dem Autor irgendwann in der Mitte des Romans die Zeichenbegrenzung wieder eingefallen…
Insgesamt allerdings ein lesenswertes Buch, insbesondere für Freunde der klassischen bis düsteren Phantastik.
Der Roman spielt in einer Zeit, die der unseren in mancherlei Hinsicht gar nicht so unähnlich ist – eine zentrale Rolle spielt dabei das Internet, wie der Titel schon vermuten lässt.
Art, der Ich-Erzähler, befindet sich zu Beginn des Romans auf dem Dach einer Psychiatrie; wie er dorthin gelangt ist und warum, erzählt er dem Leser nach und nach. Um nicht zu viel zu verraten: Es geht um eine Intrige aus wirtschaftlichen Interessen, die sich einem festen Netzwerk, im Prinzip einer Online-Community, entgegen stellt und ihre Loyalität untergräbt…
Bewertung
Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Er ist spannend geschrieben und der Ich-Erzähler kommt weder langweilig noch altklug daher und berichtet nicht „authentisch introspektiv“, was kein Schwein interessiert…
Besonders witzig fand ich beim Lesen, dass Chatlogs als Stilmittel auftauchen; schon alleine dadurch hebt sich der Roman von vielem ab, das über das Internet und damit verbundene Phänomene geschrieben wird. Interessant ist auch das durchscheinende Thema der Loyalität zu virtuellen Kontakten und Netzwerken. Dabei wird der Roman jedoch nicht belehrend, sondern erzählt einfach seine Geschichte. Die Moralkeule bleibt irgendwo auf den ersten paar Seiten stecken, was auch gut so ist.
Ich könnte noch etwas weiter in die Tiefe gehen, was ich hier jedoch nicht machen werde – allerdings gibt es in dem 316-Seiten-Buch allerhand zu entdecken.
Der Titel stammt von der Temperatur, bei der Papier Feuer fängt – und damit auch Bücher und andere Schriftdokumente, die in der Zukunftswelt des Autors strengstens verboten sind. Diese vom Staat angeordneten und koordinierten Bücherverbrennungen sind auch die einzigen Feuer, die in dieser Welt noch entstehen: Alle Gebäude und sonstigen Materialien sind im wahrsten Sinne des Wortes feuerfest. Nun könnte man meinen, dass in so einer Welt kein Platz für eine Feuerwehr ist – doch gerade diese ist es, die dafür zuständig ist, die verbotenen Bücher zu verbrennen und damit ihre endgültige Vernichtung anzustreben. Der Protagonist ist ein Feuerwehrmann namens Montag, der mit seiner Frau ein beschauliches Leben führt. Doch dann trifft er ein junges Mädchen, dass „merkwürdig“ ist und so gar nicht in diese Welt zu gehören scheint. Sie fragt ihn sogar, ob er „glücklich“ sei. Unter anderem davon angeregt beginnt Montag, sich über Staat und Gesellschaft Gedanken zu machen und eignet sich Schrittweise immer mehr Bücher an, um diese im Geheimen zu studieren und zu verstehen, warum die Feuerwehr sie vernichten soll…
Bewertung
Ein Buch über Bücherverbrennung? Super Thema! Eine ausgefeilte Dystopie? Fehlanzeige.
Die Idee zu „Fahrenheit“ ist wirklich super, die meisten Zusammenfassungen lesen sich auf wirklich gut – nur die Umsetzung lässt wirklich zu wünschen übrig… Dabei sind ein paar Ansätze wirklich gelungen: Die Rolle der manipulativen, gleichgeschalteten Medien, deren Konsum das eigene Erleben ersetzt; der Einsatz von Medikamenten/Drogen, um die Menschen ruhig zu stellen. Eine kleine Gruppe von friedlichen Rebellen, deren Widerstand im Wesentlichen darin besteht, Bücher auswendig zu lernen. – Trotzdem hat das Buch definitiv einen großen Haken: Es versucht zu viele Themen abzuhandeln, ohne sie allzu weit auszugestalten. Prinzipiell ist es natürlich vollkommen in Ordnung, wenn manche Dinge nur einmal in einem Nebensatz in einem Gespräch zwischen zwei Charakteren erwähnt werden – aber diese Erwähnung sollte einfach einen Sinn haben und nicht nur den, dem Leser zu zeigen, wie toll ausgearbeitet doch das Setting ist. Darüber hinaus werden oft einzelne Aspekte aufgegriffen und wieder fallen gelassen, bevor ein anderer Aspekt aufgegriffen und wieder fallen gelassen wird usw.. Daneben gibt es zwar durchaus Themen, die sich durch das ganze Buch ziehen; dies jedoch auf rein wiederholende Art und Weise, dass nichts Neues dazu kommt und im Prinzip immer nur das Selbe wiederholt wird: Schlimme neue Medien, schlimme neue Medien, schlimme neue Medien… Auf Dauer einfach langweilig und wenig kreativ.
Der Titel des Threads sagt es ja eigentlich schon: Was sind eure liebsten Mythen oder Sagen? Habt ihr vielleicht eine Vorliebe für ein bestimmtes Pantheon oder eine ganze Sagenwelt?
Nora Roberts, Ring-Trilogie: Grün wie die Hoffnung Blau wie das Glück Rot wie die Liebe
Der Zauberer Hoyt verliert seinen Bruder Cian an die Vampirkönigin Lilith und bekommt von der Göttin Morrigan den Auftrag, die Welt zu retten. Er reist in das Hier und Jetzt und landet ausgerechnet in New York, wo er er einen Ring von Personen um sich schart, um die alles entscheidende Schlacht zwischen Gut und Böse vorzubereiten. Er trifft dabei seinen unsterblichen Bruder wieder, der ganz ohne Zeitreise die Zeiten überstanden hat, findet die Frau seines Lebens und noch manch andere skurrile Gestalt, die den Kreis der Auserwählten vervollständigt.
Bewertung
Mir haben die Bücher gut gefallen. Wie so oft bin ich nur auf sie aufmerksam geworden, weil ich sie als Mängelexemplare gefunden habe (lustigerweise alle drei, aber nicht auf einmal ) - was kann man da schon falsch machen? Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und wirken sehr lebendig. Die Geschichte ist an sich interessant, aber sehr geradlinig aufgebaut. Eigentlich weiß man schon in der Mitte des ersten Bandes, wie es weitergeht - die Geschichte lebt deshalb vorangig von seinen Charakteren.
Was mich extrem gestört hat: Warum musste man die "Vampirkönigin" Lilith nennen? Das geht mir so langsam auf den Keks.
Die Übersetzung von "Circle" als "Ring" ist irreführend und auch die Einzeltitel sind im Englischen Original wesentlich griffiger und weniger pathetisch-schnulzig.
Fazit: Kein Must-Have, aber wenn man es in die Finger bekommt eine gute Wahl.
Die Frage, die ich zur Diskussion stellen möchte, steht eigentlich schon im Betreff des Themas: Was haltet ihr von Jade? Sie kommt in den Filmen nicht vor, aber in den Büchern (falls die jemand liest ).
Globalia ist die Welt der Zukunft, in der ewige Jugend und Unsterblichkeit zum Greifen nahe sind. Es gibt keine Staaten und keine Grenzen – bis auf die Grenze zwischen den durch riesige Kuppeln geschützten Zonen Globalias und den Non-Zonen, größtenteils zerstörte, verseuchte und sich selbst überlassene Gebiete. Baikal, ein rebellisch gesinnter Jugendlicher, versucht der „Freiheit“ Globalias zu entfliehen, um in den Non-Zonen wahre Freiheit zu finden. Nachdem er bei einem Ausbruchsversuch festgenommen wurde, wird ihm das unglaubliche Angebot gemacht, mithilfe des „Gesellschaftsschutzes“ zu entkommen – um der neue Feind zu werden, gegen den sich Angst und Zorn der Globalier richten können…
Bewertung
Insgesamt hat mir der Roman sehr gut gefallen. Der Autor hat einen sehr flüssigen, sehr sauberen Stil und auch die Übersetzung von Claudia Steinitz ist sehr gelungen. Das Setting wird liebevoll und mir einem Auge für Details eingeführt und ausgemalt, ohne Infodump zu erzeugen. Der Plot ist nicht neu, bringt jedoch neue Elemente mit sich und damit auch neue gesellschaftspolitische Aspekte, die sich auch auf unsere Zeit übertragen lassen. Dabei wirkt der Roman jedoch nicht überheblich, moralisch und betont philosophisch, sondern frisch und zwanglos. Besonders erfrischend sind auch die Wenden, die der Roman nimmt, wenn man ihn durchschaut zu haben meint. Allerdings werden auch diese Wenden rechtzeitig und konsequent ein- und durchgeführt, sodass sie nicht aus der Luft gegriffen wirken.
Einige wenige Detailfehler sind enthalten, was angesichts der kreativen Leistung hinter dem Setting zu verschmerzen ist.
Fazit: Französische Sci-Fi ist zwar nicht die bekannteste, zählt aber in diesem Falle definitiv zur lesenswerten.
Iva Procházková, Wir treffen uns, wenn alle weg sind
Mojmir ist Rom, wächst in einem Heim auf und macht eine Lehre zum Koch. Da er sich nicht für das Weltgeschehen interessiert, geht die neue Seuche EBS zunächst informationstechnisch an ihm vorüber – sehr zum Unmut seines besten Freundes. Denn EBS ist nicht irgendeine Krankheit, sondern ein Erreger, der die Menschen sich auflösen lässt, bis nichts mehr von ihnen übrig bleibt. Als das Aussterben der Menschen beginnt, befindet sich Mojmir in einem kleinen Häuschen in den Bergen, wo er eine sterbende alte Frau, die an Krebs leidet, begleitet. „Omi“ hatte ihn schon als Kind zusammen mit anderen Kindern aus dem Heim eingeladen, die Ferien bei ihr zu verbringen. Durch die Pflege seiner quasi-Großmutter entgeht Mojmir der Seuche und findet sich schließlich in einer Welt wieder, die nur noch von wenigen Menschen bevölkert zu sein scheint.
Bewertung
Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Am Anfang fand ich es etwas gewöhnungsbedürftig, weil es dort eher vor sich hin dümpelt; später sind die Informationen, die auftauchen, jedoch relevant und man bekommt von Anfang eine Ahnung, wie es weiter geht. Der Roman lässt Mojmir aus der Ich-Perspektive erzählen und manche Ereignisse in Randbemerkungen vorgreifen – allerdings immer so, dass es nicht wirklich viel über den weiteren Verlauf der Handlung verrät. Etwas irritiert hat mich der Perspektivwechsel zu einem anderen Charakter (welcher sei hier noch nicht verraten ) am Ende des Buches. Diesen finde ich recht unnötig und eigentlich ziemlich kontraproduktiv für das Erzählen. Der Stil hat mir sehr gut gefallen, da er sich flüssig liest. Besonders gelungen finde ich auch die Dialoge – hier sei vor allem ein kleines Gespräch zwischen einem frommen Christen und Mojmir zu nennen, in dem es um Kaffee und Religion geht.
Meine "Idee" oder Frage oder Anregung oder Was-Auch-Immer: Wäre es möglich, ein "Rest"-Forum auch für Sci-Fi einzurichten? Bei Fantasy gibt es ja auch eins. Ich weiß nicht, ob auch bei anderen Interesse daran besteht, aber ich würde zB gerne einzelne Bücher vorstellen, die nicht zu den "großen" Foren in dieser Kategorie gehören.